Ballade von Bernie Strauß

Punkt Zwanzig Fünfzehn ging die Butangasflasche hoch,
seine Mutter war wahrscheinlich aber vorher schon tot,
er lag da grad im Nachbarwagen zwischen Elfis dicken Knien.
Bis zum Autokino, heißt‘s, konnt man die Stichflamme zustechen sehen.
Hej Leute, werft noch mal ’nen Blick auf Bernie Strauß,
vom Vorstadt-Alphatier zum Held des Überbaus
Schöpfer und Deuter eurer Träume, fiel die Treppe immer rauf
vom Souterrain zur Beletage, Bernie Strauß, so kam er raus:

Seine Kinderjahre draußen vor den Toren der Stadt,
auf dem Campingplatz, er nennt das heute lieber Trailer-Park,
wo man sich lächelnd zur Komfort-Klasse richtig stellt
sich die kaputten Gurken mit Schlägen vom Leibe hält.
Erster Kontakt mit Zwölf und Elfie, dann der Bademeister-Sack
hinterm Imbiss, wovon er seine Dachpappenstimme weg hat
und seine Obsession zu wirklich sehr, sehr dicken Frauen,
die Kondensstreifen am Himmel – sein Jetset-Traum.

Nach dem Brand dann in die Vorstadt zu ’ner Tante-Polly-Farce
in die eigene Dachkammer und adidas Superstars.
Da hassten viele, ein paar liebten auch seine Underdog-Manieren,
und er begann, mit System auf ihre Affekte zu spekulieren.
Die Provinzbetrüger-Schweine, Lehrerinnen jedes Fachs,
mit seinem Campingplatz-Grinsen legte er sie bald alle rein und flach.
Und diese ganze spezielle Education sentimentale,
das weiß er heut, ist nicht mehr und nicht weniger als sein Stammkapital.

Ihr saßt da noch in eurem Docksider- und Lederjacken-Scheiß,
da trat er in die Mensa ein wie Zappa in Miami Vice,
bezog mit der ganzen Gang die WG am Hafenrand,
als Böckler-Stipendiat im blauen Anzug und Nike Air Force 1.
Das Politpflicht-Engagement im Stamokap-Verband,
drückt er sich um jedes Referat und jeden Infostand,
verdient‘s Portfolio sich mit Promo für ein Major-Label
und hat im Bett in jeder Nacht ein anderes, sehr dickes Mädel.

Nach der Wende erstmal abgehängt von allen Polit-Drähten,
weit draußen auch sein Outfit: rote Docs mit gelben Nähten,
eher Pre als Post, doch über Differenzverstärker-Fragen
schaffte die Arbeitsgruppe mit viel Mühe sein cum laude Examen.
Ja, Leute, ganz genau, auch das war Bernie Strauß,
kam zurück nach Jahr und Tag, legte im Mojo auf
schwarzgraue Chucks, Goatee, dicke Skimütze auf –
Da war er dann wieder, Bernie Strauß, definitely in the House.

Dass sich alles ändern muss, damit es so bleibt wie es ist,
weiß er nicht erst seitdem, auch dass man besser nicht nach Luv rauspisst,
machte zwei Jahre noch als freier Junior-PR-Consultant voll,
knüpfte das Netz, nach außen gab er gern den unbedarften Proll.
Dann nahm er Reißaus von den Spacken und sein Geld in die Hand,
Strategiebüro, Fabriketage, 500 Quadratmeter aus’m Stand,
riskant, na klar, doch das Leben schickt jeden einmal steil,
und er ging – in Reebok Classics, Klamotten: George-Harrison-Style.

Zog für sich selbst da nur die richtig dicken Fische an Bord
Den Beifang nahm er mit, wurde vom Team versorgt
Promotion hier, Kampagne dort, brachte ihm Fame und Kies,
er kommunizierte die dicke Senatorin aus dem Zustimmungstief.
Das hat er drauf, ja sozusagen von der Pike auf gelernt;
weiß, wann man zuschlägt und wann besser sich dezent entfernt.
Ein Spiel lesen und die hohe Kunst des taktischen Fouls,
Kick & Rush, schenkt niemals ab und holt das Beste raus.

Von daher hat er auch die Dotcom-Blase früh erkannt,
stieg aus, spielt hintenrum, Familiengründung auf dem Land
Sein Primärnetz, Frau, zwei Kinder, alles intakt und normal,
Null Zwo zurück am Start in Puma Speed Cats – Verluste minimal. 
Im eigenen Think Tank bastelten sie Hypes und Scoops
für Medienpartner und irgendwelche Policy Groups.
Nur mit Image, Maskottchen der debile Bundesliga-Star,
machten sie den Sozialwohnungs-Heuschrecken-Deal klar.

Auch die biggest Freisetzung in der Geschichte der Stadt
zog er höchst selbst noch mit der Dreckschippe und Prostituierten glatt,
das war ein bisschen viel, paar Bonzen wollten da seinen Skalp,
für den Selbstbehauptungs-Quatsch fühlte er sich da aber schon zu alt.
Und Leute, was glaubt ihr, was tat er da, der Bernie Strauß?
Nein, kurzum, alles, was er in den Jahren aufgebaut,
hat er von einem Tag auf den anderen verkauft,
am Montag vor dem schwarzen Dienstag – Bernie Strauß hat’s eben drauf.

Danach machte er ruhig und bleibt auch weitgehend gechillt;
die zweiten Bälle, die er jetzt haben und auch verarbeiten will.
Für die Bürger-Inis hier und da noch ein paar Finger-Exercises,
Presseerklärung, Tischvorlagen, Präsentationen und so’n Scheiß.
Die dicke Ex-Senatorin, sitzt heut im Auswärtigen Amt,
die rief ihn neulich Nacht auf seinem Krypto-Handy an,
sie wollte ihn, ja nur ihn, genauer: seine rechte Hirnhälfte
für die Nationbuilding-Task-Force im gefailten Teil der Welt.

Hat aufgehängt, ‘ne Flasche Pomerol entkorkt und sich gefragt:
War das mein Todesurteil oder mein Ritterschlag?
Ein Angebot wie dieses lehnt man jedenfalls nicht ab,
und mit der Neige kam der Rausch und dann die erste Panikattacke.
Seine Crew ist vorgeflogen, stellt das Netzwerk her:
Stammesfürsten, Warlords, Polizei wie Militär-
Führung, Medien, Mullahs, NGOs – alles im Sack,
doch ihm fiel immer noch was ein, verschob den Abflug Tag für Tag.

Doch nun sitzt er da im Lounge-Suit, schaut aus dem Fenster raus
auf den Stadtrand, der franst immer weiter in Wohnwagenparks aus.
Traurig, traurig, denkt er und schaltet den Flatscreen vor sich an
auf der Fußstütze abgelegt schwarze Air Max 1.
Also Leute, werft noch ein letzten Blick auf Bernie Strauß,
schrieb nicht Geschichte, aber gab so manchen Dingen ihren Lauf
und schraubt sich jetzt den dritten Bord-Bar-Côte-du-Rhone auf,
Business-Class-Heroe Bernhard Strauß – da fliegt er aus.